„Immer Online?“ – Nico Lumma und Richard Gutjahr sagen „ja!“

Die Urlaubszeit geht so langsam dem Ende zu. Und wieder wurde während dieser Tage heiß darüber diskutiert, wie weit die Dauererreichbarkeit während der freien Tage gehen darf. Christian Marx von politik-digital.de hat einmal bei den zwei Webexperten Nico Lumma und Richard Gutjahr nachgehakt und wollte wissen, ob die Beiden das Smartphone abschalten, wenn sie sich am Strand sonnen? Und ob das iPad in die Tasche kommt, wenn es zum Schwimmen oder Wandern geht? Die Antworten auf die Fragen waren mehr als eindeutig…

Journalist und TV-Moderator Richard Gutjahr:

Hoffnungslos. Schier hoffnungslos. Das ist meine Antwort auf die Frage, ob ich abschalten kann. Ich habe es versucht, glauben Sie mir. Allein ich kann es nicht!

Lange bevor einige Kollegen Bücher über ihre Offline-Selbstversuche verfasst haben, hatte ich schon resigniert. Meine auf YouTube-dokumentierten Tage ohne Handy und Internet aus dem Jahr 2008 (“Eine Woche offline”), sprechen Bände. Wenn ich offline bin, kann ich nicht entspannen. Mehr noch: komplett abgekoppelt zu sein, macht mich regelrecht rasend! Es ist, als würde man mich meiner Existenz berauben. Ich bin online also bin ich. Bin ich süchtig? Gegenfrage: Ich atme – macht mich das zu einem Sauerstoff-Junkie?

Im Urlaub nicht online sein zu können, ist für mich wie allein ins Kino zu gehen. Allein in einem schicken Restaurant zu Abend zu essen. Film oder Essen können noch so gut sein, aber irgendwas fehlt. Zudem kommt, dass ich als Journalist natürlich von Informationen lebe. Das ist mein Kapital. Kann man vom Journalist-sein Urlaub machen? Nicht erreichbar zu sein, ist kein erstrebenswerter Zustand für mich. Das heisst nicht, dass ich im Urlaub ständig E-Mails, Facebook- oder Twitternachrichten checken muss. Zu wissen, dass ich online gehen könnte, wenn ich denn wollte, befriedigt mich. Randnotiz: Diese Zeilen schreibe ich Ihnen aus 10.000 Meter Höhe. Neuerdings bietet Lufthansa WiFi über den Wolken. Endlich kann ich auch über den Wolken in die Cloud gehen. I love it!

Richard Gutjahr ist Absolvent der Deutschen Journalistenschule in München und hat an der Ludwig-Maximilians-Universität Politik und Kommunikationswissenschaft studiert. Seine Praktika führten ihn u.a. nach Frankreich und in die USA, wo er für mehrere Zeitungen schrieb und für CNN berichtete. Heute ist Richard Gutjahr Mitarbeiter der Chefredaktion des Bayerischen Fernsehens, arbeitet als Reporter und moderiert die Rundschau. In seiner wöchentlichen Print-Kolumne für die Münchner Abendzeitung schreibt Gutjahr über das Digitale Leben. Für seine Reportage-Reihe zu den Hartz-Reformen wurde er mit dem „Ernst-Schneider-Preis“ für Wirtschaftsjournalismus ausgezeichnet. Bei Twitter findet man ihn unter @gutjahr.

 

Manager und Blogger Nico Lumma:

Smartphone aus! Urlaub! – Was für ein Quatsch. Wenn ich das schon lese, dass Leute meinen, für den Urlaub Vorschriften zu erlassen. Spann mal aus, kein iPhone. Kein Roaming. Kein iPad. Ich glaube, es hackt!

Ich verbringe meinen Urlaub so wie ich es möchte (oder meine Familie mich lässt) und dazu gehört auch die Nutzung irgendwelcher elektronischen Geräte. Oder wie meine Frau immer sagt “aber da sind meine Freunde drin”. Das ist doch genau der Punkt: ich möchte selbstbestimmt definieren, ob und wie ich im Urlaub mein iPhone benutze. Wenn dann irgendwelche Leute auch noch meinen, dass die hohen Roamingkosten positiv zu sehen sind, weil sie dabei helfen, im Urlaub abzuschalten, dann frage ich mich echt, wie tief im 20. Jahrhundert einige Menschen immer noch stecken.

Das Smartphone an sich ist doch keine Geißel, sondern eine wahnsinnige Erleichterung für viele umständliche Dinge des Alltags, und noch dazu eine Spielekonsole und ein Brieftaubenschwarm auf Steroids. Mit dem Smartphone finde ich heraus, welches Restaurant empfehlenswert ist, finde den Weg dorthin, mache Fotos, schicke sie meinen Freunden, bestelle kurz ein eBook fürs Kind, recherchiere Ausflugsziele, und so weiter und so fort. Wir reden überall von Medienkonvergenz und das passiert doch auch im Urlaub. Ist ein Kindle erlaubt, weil man da nur Bücher lesen kann, ein iPad aber nicht, weil man da auch daddeln oder gar twittern kann?

Natürlich kann ich das auch mit einem Reiseführer, einer Karte, einer Kamera, vielen Postkarten, Briefen und Büchern und so erledigen, aber im Urlaub soll man sich doch entspannen, warum meinen dann irgendwelche Leute, man solle das Smartphone ausschalten? Mir wird nicht klar, warum andere Menschen verordnen wollen, wie man seinen Urlaub zu gestalten hat. Aber achtet mal drauf, derartige Tipps gibt es an jeder Ecke. Ich jedenfalls war gerade im Urlaub und das einwöchige 100 MB Roaming-Paket der Telekom hatte ich nach einem Tag aufgebraucht und wurde erst wieder entspannt, als ich eine lokale Data-SIM mit 1 GB erstanden hatte. Ich fühle mich ohne Smartphone mit Daten-Nutzung abgeschottet von der Welt, quasi wie im Blindflug. Das kann man entspannend finden, aber ich möchte mir diesen Zustand selber wählen können.

Nico Lumma arbeitet als COO für die Digital Pioneers N.V. in Hamburg. Er bloggt auf lumma.de und ist seit 1995 eigentlich nicht mehr offline gewesen. Er ist im Gesprächskreis Netzpolitik des SPD Parteivorstandes und leitet den AK Digitales Leben und Arbeiten in Hamburg der SPD Hamburg. 2011 war er Mitbegründer des Vereins D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt. Unter @Nico findet man ihn auf Twitter.


Weitere Statements und Beiträge zur Sommerreihe „Immer Online?“ u.a. von der Arbeitsministerin Dr. Ursula von der Leyen, der Unternehmensberaterin Nicole Simon oder dem Euro-Blogger Ronny Patz findet Ihr auf Politik-Digital.de – von wo aus wir diesen Crossposts mit freundlicher Genehmigung veröffentlichen durften.


 

Wie steht es um euch?

Seid Ihr auch so konsequent wie Richard Gutjahr und Nico Lumma? Pfeift Ihr auf die Empfehlungen einiger Psychologen und anderer Experten die u.a. vor einhergehenden Burnout-Gefahren warnen?

Ich selber war letzte Woche auch im Urlaub. Ich war erreichbar. Das wollte ich so. Zum einen weil ich auch in den Ferien für die ein oder andere Sache etwas tun musste, zum anderen aber auch weil ich Spaß daran habe, im Web nach interessanten Geschichten zu suchen.

Ich war mit einigen Freunden unterwegs und manch einer hatte wenig Verständnis dafür, dass ich beispielsweise morgens anstatt im Pool zu schwimmen, eben erst einmal am selbigen mit einer Tasse Kaffee meine Feeds und Mails gelesen habe… „Urlaub ist Urlaub, jetzt hör doch mal auf!“ oder „… der Weck würde am liebsten im Internet leben, wenn er könnte!“, waren einige der teils amüsanten Reden.

Klar, viele meiner Freunde nutzen das Web in abgespeckter Variante und beispielsweise auch nicht beruflich. Da unterscheiden sich die Geister schon ein erstes Mal. Außerdem ist bei vielen (nicht nur meiner Freunde) immer noch diese Barriere im Kopf, dass ein PC, Tablet oder Smartphone eben nur ein Mailing-Gadget ist, welches zur Kommunikation mit dem Chef benötigt wird.

Für mich ist es allerdings mehr. Es ist meine Tageszeitung, mein Kommunikationsinstrument zu vielen unterschiedlichen Personen, die ich leider nicht überall und jederzeit treffen kann. Und es ist zu guter Letzt schon fast zu einem treuen Begleiter geworden. Dem kann ich doch nicht einfach so – mir nichts, dir nichts – den Rücken kehren, oder?

schreibt seit 2011 für die Netzpiloten und war von 2012 bis 2013 Projektleiter des Online-Magazins. Zur Zeit ist er Redakteur beim t3n-Magazin und war zuletzt als Silicon-Valley-Korrespondent in den USA tätig.


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7 comments

  1. Offline?! Was ist das? Nein, so „schlimm“ ist es bei mir nicht. Eine Reduktion ist möglich und auch manchmal sinnvoll, aber komplett abgeschottet zu sein käme für mich nicht in Frage. Ich war letztens bei Bekannten im ländlichen Raum. Schlechte Netzabdeckung und langsames Internet. Nicht meins. Es geht nicht darum ständig erreichbar zu sein. Im Gegenteil. Ich finde beispielsweise Anrufe eigentlich eher nervig. Ich will selbst bestimmen können, wann ich mich mit etwas beschäftige. Bei Emails, Facebook-Nachrichten und so weiter kann ich das.
    Zudem ist eben das Smartphone, das Tablet, oder was auch immer, Tageszeitung, Musikplayer, Unterhaltungsmedium, Kommunikationsmittel und Kalender in einem. Nicht umsonst werden solche Geräte immer als eierlegende Wollmilchsau bezeichnet.

    Summa summarum heißt das also: Ganz offline geht nicht. Da gehe ich mit dir/mit euch vollkommen d’accord.

  2. Ich verstehe weder die Definition der „Online-Sucht“, noch die Empfehlung auf Smartphone und iPad im Urlaub zu verzichten. Derartige Ratschläge können nur von Menschen kommen, die dieses „Online“ nicht verstehen und ihr Leben klassisch analog führen. Soll ja auch gehen.

    Die Unterscheidung zwischen Online und Leben findet bei mir nicht statt. Meine Firma arbeite in der Cloud – die meisten Anwendungen sind ohne Internet nicht nutzbar, Bücher lese ich im Kindle, Filme schaue ich auf iTunes, Photos teile ich mit meinen Freunden und Bekannten auf Google Plus, auf dem Laufenden halte ich mich über Flipboard, die Apps der Zeit und des Guardian. Papier ist mir zu schwer und zu sperrig für meinen mobilen Lebensstil.

    Wenn ich Urlaub mache oder mich entspannen möchte, dann verzichte ich nicht auf meinen Internetzugang, sondern wechsele auf mein Privat-Smartphone, damit ich keine Businesscalls bekomme und arbeite einfach nicht. So schlicht, so wirksam, aber eben anders, als es sich ein analoger Mensch vorstellen kann.

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