AG Podcasting: Podcasts als Bildungsmedium

Podcasts sind seit ihrem großen Hype im Jahr 2005 in der Netzlandschaft angekommen. Doch sind es nicht einfach nur Audiosendungen im Internet, sondern nicht selten spielen interessante Konzepte im Hintergrund eine Rolle. Ein Beispiel dafür ist die AG Podcasting, bei der Andreas Auwärter an der Universität Koblenz das Medium in Bildungskontexten einsetzt. Wir waren vor Ort…

Bild: Hörstoff über RSS – das Podcast-Logo von Peter Marquardt (Lemotox, CC BY SA)

Podcasts als Medium in Bildungskontexten

Angefangen hat das Ganze wie so oft mit einer einfachen Idee: 2005 überlegte sich Andreas Auwärter mit einigen Freunden, wie das Medium Podcast in Bildungskontexten eingesetzt werden könnte – zunächst noch in sehr begrenztem Umfang als Begleitung zu einem Seminar, zu dem die Episoden Input bieten sollten.

„Das war spannend“, sagt Andreas, „wir hatten zum Beispiel ein Telefoninterview mit Heinz Mandl zum Thema Wissensmanagement, bei dem wir den Telefonhörer auf laut gestellt haben und dann mit einem Diktiergerät aufgezeichnet haben. Wir haben eine Technik verwendet, die ich immer noch genial finde: Die Fragen haben wir auf Visitenkarten geschrieben und – am Telefon kann man das ja machen – dann hinter uns geworfen, wenn sich die Frage im Gespräch schon erledigt hatte. Das macht zum ersten Laune und zum zweiten hat man die Fragen dann wirklich nicht mehr im Blickfeld.“

Allerdings stößt ein Podcast im Seminar-Kontext naturgemäß schnell an seine Grenzen – eben jenen Seminar-Kontext. „Wir haben schnell gemerkt, dass es nicht reicht, einfach nur ein Seminar zu verpodcasten“, erläutert Andreas. „Er ist dann zwar für das Seminar eine Bereicherung, aber alle Leute von außerhalb können wenig damit anfangen. Aus diesen Überlegungen heraus wollten wir die AG Podcasting als studentische Arbeitsgruppe etablieren. No budget, many interests.“

Einige Jahre später hat sich die AG Podcasting mit dem Podcast „Bildung im Dialog“ an der Universität Koblenz etabliert. Vor uns auf dem Tisch liegt ein Whiteboard, das mit Ideen vollgeschrieben ist. „Wir machen jedes Semester eine große Mindmap, in der wir uns Themen überlegen, die wir angehen möchten“, erläutert Andreas. Diese Themen sind die erste Säule der Inhalte – von Einzelthemen bis hin zu kleinen Reihen, etwa zu pädagogischen Grundbegriffen.

Die zweite Grundlage ist der stetige Kontakt der AG zu den Lehrenden an der Uni – Studierende können durch Audio-Beiträge Referate und Hausarbeiten ersetzen. „Es gibt Dozenten, die dieses Angebot ihren Studierenden weitergeben, und immer wieder kommt ein Beitrag zu uns, den wir prüfen können. Es gibt da natürlich einige rechtliche Aspekte zu beachten, etwa wenn jemand eine Melodie verwendet – da regen wir zum Beispiel an, eine freie Melodie zu verwenden, etwa von Jamendo oder Podsafe Music Network.“

An dritter Stelle stehen Events. Die AG Podcasting veranstaltet Workshops oder wird zu Events wie etwa dem EduCamp eingeladen. Dabei werden natürlich Gespräche mit den anwesenden Personen geführt, die wieder Stoff für neue Episoden hergeben.

Vor Ort: Bildung ohne Frontalunterricht

An einem empfindlich kalten Dienstagabend in Koblenz sind wir eine überschaubare Gruppe – zwei Studierende sind gekommen, es ist Semesterendstress, und die AG setzt auf freiwilliges Engagement statt auf Anwesenheitslisten. Das Web-2.0-ige fällt mir schon beim Ablauf der Veranstaltung auf. Andreas fragt seine Studis nach Feedback, wie sie die vergangene Live-Sendung erlebt haben, reflektiert über eigene Fehler und Verbesserungsmöglichkeiten und gibt Tipps zur Vorbereitung richtiger Fragen. Danach wird die nächste Sendung vorbereitet: Die Studierenden haben einen Interviewpartner rausgesucht und verfassen eine E-Mail, ob er Interesse hat. Danach erlebe ich live mit, wie Bildung 2.0 aussehen kann: Andreas entwickelt gemeinsam mit seinen Studierenden ein Wiki, das wichtiges Wissen an die folgenden Teilnehmer der AG weitergeben soll. Heute wird ein Vorschlag für eine Informationsstruktur diskutiert.

Bild: Andreas Auwärter (stehend), Lisa Urmetzer und Willi Wall bei der Arbeit an einer Episode.

Willi Wall studiert Erziehungswissenschaften im 2. Semester und ist seit Beginn seines Studiums bei der AG Podcasting dabei. Lisa Urmetzer ist zwar ebenfalls im 2. Semester Erziehungswissenschaften, hat aber erst in diesem Semester zur AG Podcasting gefunden. „Der Name hat’s für mich interessant gemacht“, erzählt Willi. „Wir heißen ja Bildung im Dialog, und Bildung und Erziehung sind die Schwerpunkte der Erziehungswissenschaft.“ Für Lisa war die Einführungsveranstaltung die erste Berührung mit dem Thema Podcast. „Ich habe dann mitbekommen, wie auf dem Campus Aufnahmen gemacht wurden. Ich dachte mir: Das ist sehr hilfreich, weil wir eine kleine Gruppe sind und intensiver arbeiten.“

Eine Schwachstelle bei der AG gibt es: „Es gibt relativ wenig Feedback. Manchmal gibt es Kommentareinträge, wenn wir einen neuen Beitrag veröffentlichen. Aber wenn wir mit dem Aufnahmegerät durch die Uni ziehen, dann werden wir oft gefragt wofür wir das machen und stellen uns vor“, erläutert Willi, der jedoch aus eigener Erfahrung erzählen kann, dass ihm die Podcasts geholfen haben. „Bei den Grundbegriffen gibt es sehr gute Beiträge, etwa Interviews mit Dozenten. Gerade für den Einstieg ins Studium waren die Grundbegriffe eine gute Hilfe.“

Für beide Studierende haben Podcasts jedoch über die AG hinausgehend keine größere Bedeutung. „Im Privaten spielen Podcasts noch keine Rolle, auch als ich das zu Hause erzählt habe, wussten meine Eltern nicht, was Podcasts sind“, erzählt Lisa, und auch für Willi sind Podcasts zunächst „eine weitere Möglichkeit für einen Leistungsnachweis“. Mehr sieht Andreas in der von ihm geleiteten AG: „Vom Konzept her steht die Technik komplett im Hintergrund, weil das bei Pädagogen nicht das Studienfach ist – aber Forschungsmethoden sind immer mit den Podcasts verbunden, z.B. wissenschaftliche Interviews als Erkenntnisinstrumente. Es ist gut, wenn man das in der AG Podcasting schon einmal ausprobiert hat, wenn man es bei seiner Diplomarbeit braucht.“

Und so ändert sich durch die Podcasts auch das Lernen an sich. „Die Art, wie wir in der Gruppe vorgehen, mit Brainstormings und Mindmaps, das ist immer hilfreich wenn man sich in ein neues Thema einarbeiten möchte“, sagt Lisa, und Willi ergänzt, dass man auch lerne, „wie man Ideen von verschiedenen Leuten ordnet und auf einen gemeinsamen Nenner kommt“. Und Andreas erläutert: „Es kommt nicht auf die Antwort an, sondern das Spannende ist die Frage. Das hält Wissenschaft am Leben. Gerade im jungen Podcast-Medium ist es durchaus legitim, Fragen offen zu lassen und Impulse zu setzen.“

Es ist diese Einstellung, die den Podcast zu einem typischen Netzmedium macht – das Impulse setzen und Anregungen für Diskussionen geben möchte, nicht aber auf fertige Antworten aus ist.


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ist Medienwissenschaftler und beobachtet als Autor („Grundkurs Gutes Webdesign“) und Berater den digitalen Wandel. Seine Themenschwerpunkte sind User Experience, anwenderfreundliches Design und digitale Strategien. Er schreibt regelmäßig für Fachmedien wie das t3n Magazin, die Netzpiloten oder Screenguide. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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