Nahles-Interview: Das Private ist das Politische?

SPD / Florian Jaenicke

Frage: Vergangene Woche ist ein Interview von Ihnen in der Frauenzeitschrift Brigitte erschienen. Dort erzählen Sie von Ihren Plänen, schon zwei Monate nach der Geburt Ihres Kindes wieder zurück ins Amt zu gehen. Sie sagen: “Emotional stelle ich mir das für mich unheimlich schwer vor. Ich weiß, ich werde unser Kind nicht so oft sehen, wie ich es gern hätte.” Eine solche Entscheidung fällt man in der Regel nicht nur mit dem Bauch, sondern auch mit dem Kopf. Und nicht alleine. Wie haben Sie Ihre Lösung gefunden?

Andrea Nahles: Ich plane. Um mich ein wenig sicherer zu fühlen. Ob es am Ende so kommt… das hängt von dem Kind ab. Ist es gesund und munter, ja, dann werde ich bald wieder meiner Arbeit nachgehen. Das ist ohne die aktive Unterstützung meines Mannes nicht denkbar: Wir haben das intensiv besprochen. Wir möchten, dass unser Kind von einem Elternteil intensiv betreut wird, und das ist in unserem Fall eben mein Mann. Ich mache mir nix vor, dass wird sicher nicht so leicht – ich freue mich nämlich sehr auf das Zusammenleben mit unserem Kind. Es ist ein spätes Glück…

Frage: Die Vereinbarkeit von Familie und Karriere ist für jede Frau eine Herausforderung. Besonders in einer Position wie der Ihren, die durch große Verantwortung und einen gefüllten Terminkalender eher familienunfreundlich wirkt, wirft die Geburt eines Kindes viele Fragen auf: Wer betreut das Kind, etwa. Aber auch: Wie gehe ich mit dem Vorwurf der Rabenmutter um? Und: Wie mache ich meinem Umfeld klar, dass ich durch die Geburt nicht zu einem an Stilldemenz leidenden Wesen geworden bin, sondern nach wie vor klar denken kann und sogar neue Kompetenzen und Einsichten erworben habe? Wie gehen Sie mit diesen und anderen Fragen um?

Andrea Nahles: Stilldemenz ist wie Rabenmutter ein klassisch deutsches Klischee. Das ist in anderen Ländern so nicht anzutreffen. Ganz offen: Ich habe keine feste Idee, wie ich damit umgehe. Besonders der Rabenmutter-Vorwurf ist wohl unvermeidlich, und wie schaffe ich es, dass mich solche Gedanken nicht anstecken? Gerade mit einem nicht so ganz gewöhnlichen Job wie meinem. Puh. Sicher hilft, dass ich unser Kind in guten Händen weiß, und dennoch piesackt sowas doch sehr, schätze ich. Umgekehrt wird es sicher auch nicht einfach, die Beobachter auszuhalten, die nach Nachlässigkeit oder weniger Engagement wegen des Kindes bei mir fahnden. Am Ende mache ich es wie alle Frauen: Durchziehen. Froh sein mit dem Kind. Wissen, dass man etwas Kostbares erleben darf.

Frage: Sie sprechen in der Brigitte auch davon, dass Ihr Amt als Generalsekretärin der SPD Begehrlichkeiten wecke, und das auch innerhalb Ihrer Partei. Viele Medien haben daraufhin geschrieben, Sie hätten Angst um Ihren Job. Und würden deshalb nach der Geburt Ihres Kindes so schnell zurückkommen. Überrascht Sie das mediale Echo?

Andrea Nahles: Ich hatte zu keinem Zeitpunkt Angst um meinen Job. Das war ein Dreh, den die Medien reingebracht haben. Ich habe nur nüchtern beschrieben, wie es für berufstätige Mütter aussieht. Überall. Bei meinen Cousinen, bei vielen Freundinnen. Den Plan bald zurück zu kommen, hatte ich von Anfang an. Ich fühle mich einfach verantwortlich. Es gibt viel zu tun.

Frage: Einer der wichtigsten Sätze der Frauenbewegung lautet ja, das Private ist politisch. Nun zeigen Sie, dass ein Kind durchaus auch vom Vater betreut werden kann, wenn die Mutter arbeitet. Doch Sie deuten auch an, dass einer Frau in einer Führungsposition nur eine kurze “Schonfrist” gewährt wird, die sie nach der Geburt ihres Kindes vom Arbeitsplatz fernbleiben darf – anderenfalls kann sie mit Nachteilen rechnen. Ist das so? Immer noch? Und auch in der SPD?

Andrea Nahles: Mich hat eine jüngere FDP-Landtagsabgeordnete angeschrieben und mir aufmunternde Worte und Beispiele aus eigenen Erfahrungen gesagt. Das bestätigt meinen Eindruck, dass es nicht nur in meiner Partei ambivalent ist, wenn Frauen in Funktionen Kinder kriegen.

Frage: Wenn Sie sich vorstellen, dass Ihre Tochter in 40 Jahren in derselben Situation ist wie Sie jetzt: Welche gesellschaftlichen Umstände wünschen Sie ihr?

Andrea Nahles: Ich möchte, dass meine Tochter so leben kann, wie sie es für sich, ihre Kinder, ihre Familie richtig findet. Ob sie Teilzeit macht oder voll arbeitet. Ich traue ihr zu, dass sie für sich das Richtige entscheidet. Und mein größter Wunsch wäre, dass die gesellschaftlichen und politisch gegebenen Rahmenbedingungen das positiv begleiten und es nicht erkauft werden muss durch Karriereknick, niedrigere Bezahlung und innere Zerrissenheit. Ja, in meinen kühnsten Träumen hoffe ich sogar, dass Frauen und Männer dafür beruflich sogar Respekt und Anerkennung bekommen, wenn sie Familie und Beruf gemeinsam erleben.


Das Interview führte Barbara Steidl. Dies ist ein Crosspost von maedchenmannschaft.net

Bildnachweis: SPD/ Florian Jaenicke

Die Netzpiloten nehmen immer mal wieder Gastpiloten mit an Bord, die über ihre Spezialthemen schreiben. Das kann dann ein Essay sein, ein Kommentar oder eine kleine Artikelserie.


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