Flattr: „Geld verdienen ist kein Recht, sondern eine Möglichkeit“

Früher war Peter Sunde Sprecher der Bittorrent-Tracker-Seite thepiratebay.org. Nach dem spektakulär verlorenen Prozess gegen die Granden der US-Unterhaltungsindustrie zog Sunde sich von dem Projekt zurück und startete nun mit flattr.com einen Micropayment-Dienst für Kulturgüter im Netz. Was ist da los? Ein Gespräch.


Warum hast Du einen Dienst wie flattr.com gestartet?


Peter Sunde: Da gab es immer diese lange Diskussion: „Wie werden wir die Künstler für die Verluste kompensieren, die sie durch das Internet haben?“ Nie wurde sich Gedanken darüber gemacht, was die veranschlagen Einbußen sind oder ob sie überhaupt eine Rolle spielen. Wir würden Öl-Konzerne doch auch nicht Abfindungen zahlen, wenn wir eine Methode entwickeln würden, dank der Autos mit Wasser fahren, oder? Ich wollte die gesamte Frage umdrehen: Wie können wir ein System schaffen, dass es den Leuten erlaubt, Geld im Internet zu teilen – auf eine Art und Weise, die dazu passt, wie wir uns im Internet verhalten. Und daraus wurde flattr.



Ein ehemaliger Pirat denkt sich ein System aus, wie online Geld mit Kulturgütern verdient werden kann – heisst das, dass Du eine Notwendigkeit darin siehst, Geld für kulturelle Dienstleistungen online zu verlangen?


Nein. Geld ist keine Notwendigkeit. Geld ist kein Ziel. Geld ist ein Instrument. Geld ist eine Form der Wertschätzung. Aber die Verteilung des Geldes ist der interessante Teil – da hat es ein Oligopol für die Verteilung von Inhalten gegeben. The Pirate Bay hat das erschüttert. Und ich rüttle jetzt die Dinge an dem Punkt auf, an dem es um die Oligopole geht, darum, welche Parteien das Geld bekommen. Mit dem Internet haben wir viele Fortschritte gemacht, aber nicht, wenn es darum geht, Geld zu verteilen. und das wird gebraucht – um die wirtschaftlichen Muskeln von den Mega-Konzernen zu den Leuten zu verlagern, die Dinge gestalten.


Viele Pioniere scheinen das Konzept von freien Inhalten im Netz derzeit in Frage zu stellen. Würdest Du das als generellen Trend betrachten? Sind wir jetzt an einem Punkt, an dem wir über das Monetarisieren von Kulturgütern im digitalen Zeitalter nachdenken müssen?


Ich stelle das alles nicht in Frage. Manche Informationen müssen kostenlos und frei zugänglich sein. Inhalte zu monetarisieren, ist heute nicht wichtiger geworden, aber wir könnten einen Punkt erreichen, ab dem es möglich wird. Das große Problem war immer, wie man das anstellen soll, das ist es, was wir überdenken müssen. Geld verdienen mit Dingen, die man tut, ist kein Recht, es ist eine Möglichkeit.


Viele Micropayment-Dienste scheitern doch nicht an der mangelnden Bereitschaft der Menschen, für Musik, Blogs etc. zu bezahlen, sondern weil man für diese Microbezahlsysteme eine Menge Informationen preisgeben muss, um am Ende 90 Cent zu spenden. Würdest Du das ähnlich sehen? Und wie will flattr dieses Problem angehen?


Die Idee von flattr ist, genau diese Grenze einzureissen. Es macht zu viel Ärger, einen kleinen Betrag zu teilen – von den Kosten ganz zu schweigen. Wenn Du 0,40 Euro über Paypal losschickt, bekommt der Empfänger gar nichts – aufgrund der anfallenden Kosten. Und zehn Euro für eine einzige Sache, die Du mochtest, zu geben, könnte ein bisschen viel sein. Flattr bewegt sich dazwischen – wir nehmen einfach die Idee des Preisschildes weg. Der Preis ist, was auch immer Du entscheidest, monatlich dafür auszugeben – geteilt durch die Dinge, die Du magst. So bekommen mehr Leute Geld, dass sie sonst niemals zu Gesicht bekommen hätten!


Viele Blogger stellen infrage, ob flattr es schaffen wird, als Netzwerk groß genug zu werden, so dass Künstler in einem wirklich nennenswerten Umfang von den Kleinspenden profitieren. Fürchest Du das auch?


Es ist defintiv nötig, eine „kritische Masse“ zu erreichen. Aber so groß ist die erforderliche Zahl gar nicht. Und wenn wir scheitern, dann haben wir es zumindest versucht. Aber wir glauben, dass die Zeit reif ist, um so etwas zu machen.

(www.laaff.net) lebt und arbeitet als Journalistin in Berlin. Sie ist stellvertretende Ressortleiterin bei taz.de, schreibt für überregionale Zeitungen, Onlinemagazine und produziert Radiobeiträge. Sie betreut zudem das taz-Datenschutzblog CTRL.


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7 comments

  1. Hallo!

    Eure rechtschreibung ist ein Grauen…mein‘ ja nur.

    Außerdem: Beim Zitat „Wie werden wir die Künstler für die Verluste kompensieren, die sie durch das Internet haben?” kann man ruhig näher nachfragen – denn Peter Sunde als alter Pirat müsste sich gerechterweise fragen: „Wie werden wir die Künstler für die Verluste kompensieren, die sie durch mich, den virtuellen Seeräuber, haben?” Soviel Eigenverantwortung scheint er aber nicht zu haben, ohne dass dies kritisch hinterfragt würde.

  2. @Thomas N.
    Es ist ja noch nicht einmal bewiesen, dass Kulturschaffende durch Internetpiraterie Verluste erleiden. Wenn man in „analogen“ Dimensionen denkt, ist das vielleicht ein völlig logischer Schluss, aber digitales Gut, das „gestohlen“ worde, ist ja nicht wirklich verschwunden, sondern wurde nur unrechtmäßig vervielfältigt – ganz im Gegensatz zu einem gestohlenen Auto. Man vergleicht also Äpfel mit Birnen, wenn man da von Diebstahl redet. Und wie will man denn diese Verluste überhaupt beziffern? Das jedes heruntergeladene Lied eigentlich eine gekaufte Single wäre, glaubt die Unterhaltungsindustrie sicher selbst nicht.

  3. Eine interessante Alternative ist „www.kachingle.com“. Hier wird die Hürde für den Nutzer noch etwas tiefer gehangen.
    Cynthia Typaldos, die das Projekt ins Leben gerufen hat, kann zur Zeit auch auf Deutschlandreise befragt werden:

    Auch ein interessantes Konzept ist http://www.kachingle.com. Die Gründerin reist momentan auch durch Deutschland:

    4. Juni – Köln
    Ab 16:00 Social Media Coffee im Maybach, Maybachstr 111 in Köln.

    5. Juni – Frankfurt (Main)
    Ab 14:00 Social Media Lunch, Café im Kunstverein «Los Angeles», Markt 44, Frankfurt am Main.

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