Soundcloud: „Wir überreden die Labels nicht“

Seit sie online sind, ist soundcloud das Lieblingskind der Musikblogger und -produzenten: Hübsch, einfach und richtig gut auf die Bedürfnisse von Leuten zugeschnitten, die gemeinsam an Musik arbeiten wollen.
Wie Kollaboration, gute Musik und schicke Social-Web-Lösungen zusammengehen, dafür interessiert sich natürlich auch die Musikindustrie. Weshalb Soundcloud zur Cebit Sounds anreisen wird – der ersten Veranstaltung, auf der die Computermesse IT und Musiklabels zusammenbringen werden. Blogpiloten.de haben mit Alexander Ljung gesprochen – über seine Weigerung, bei den Musiklabels zu missionieren, die neue Kooperation mit Hypemachine und die Zukunft von mp3.


Auf den ersten Blick sieht Eurer Musikproduzenten-Dienst „Soundcloud“ ziemlich nach Special Interest aus – aber derzeit ist er in aller Munde. Wie konnte das passieren?


Alex Ljung: Ich glaube das ist eigentlich ganz einfach. Wir haben uns immer auf Leute konzentriert, die Musik gemacht haben – was natürlich ziemlich special interest ist. Aber wir haben Glück gehabt – denn ziemlich viele interessieren sich für Leute, die Musik machen. Und wir haben uns wirklich Mühe gegeben, ein fantastisches Projekt zu betreiben. Das hört sich jetzt vielleicht naiv an, aber wir sind wirklich richtig engagiert. Und das zahlt sich dann eben am Ende aus.


Ihr bekommt viel positives Feedback, viele Blogger schreiben, ihr hättet endlich mal die Kernprobleme und -bedürfnisse von Musikaustausch im Netz verstanden. Liegt das daran, dass ihr selbst Musik macht?


Ja, klar. Eric [Wahlforss, Mitgründer von Soundcloud] hat als Künstler Musik gemacht, ich habe in einem Studio als Sounddesigner gearbeitet. Wir haben die Probleme selbst erlebt. Und wir hatten Erfahrungen mit anderen Seiten gemacht, damit, wie Leute online sozial miteinander interagieren. Die Kombination aus diesem beiden Dingen hat definitiv geholfen.


Bislang habt ihr oft einen ziemlich stilsicheren Auftritt hingelegt, meist auf ziemlich guten Konferenzen. Und plötzlich fährst Du kommende Woche ausgerechnet zur Cebit, um mit der Musikindustrie zu diskutieren. Warum?


Ich bin von einem coolen Typen gefragt worden. Und ich glaube unser Panel wird auch ganz interessant. Gut, diese Geschichte mit Unterhaltungselektronik ist eigentlich nicht unser Kernbereich – aber für uns ist es andererseits eben auch ganz interessant, mal zu schauen, was sich auf der Konsumentenseite tut. Abgesehen davon haben wir keine besondere Agenda bei der Cebit.


Ihr habt ja aber eigentlich zwei Ansätze, von der die Musikindustrie etwas lernen könnte: Kollaborativ an Musik zu arbeiten – und sie via cloud computing fern der eigenen Festplatte zu posten…


Das gesamte Ökosystem von kommerzieller Musik ist ziemlich komplex. Es wird viel herumgeschrien, was Rettung oder Verderben der Branche ist. Unserer Ansicht nach müssen die Labels selbst rausfinden, was für sie, für ihre Künstler am Besten funktioniert. Wir kooperieren mit vielen Labels, aber wir überreden sie nicht dazu, sondern warten, bis der Zeitpunkt gekommen ist, ab dem es ihrer Ansicht nach passt. Wenn die mit uns nicht kooperieren wollen, versuchen wir nicht sie zu umgarnen.


Im Ernst?


Klar. Bei Weltmusik zum Beispiel bin ich mir nicht sicher, ob die Künstler stark davon profitieren, wenn viel online veröffentlicht wird. Bei elektronischer Musik dagegen schon. Also, wenn ich zum Beispiel Künstler wäre, würde ich auf jeden Fall sicherstellen, dass meine Musik online auffindbar ist.


Gut, aber gerade bei elektronischer Musik kommt dann doch wieder die vertraute Argumentation: ein DJ hat keinen Star-Status, legt zwar auf, füllt damit allein aber keine Hallen oder verkauft Merchandise-Artikel. Dann kommen kleinere Labels und sagen: Womit soll mein Künstler denn Geld verdienen, wenn er keine Tracks oder Alben verkauft?


Moment: Etwas online verfügbar machen oder es online zu verschenken sind ja aber immer noch zwei unterschiedliche Dinge. Ich würde auf jeden Fall dagegen argumentieren, alle Musik ohne Einschränkungen online verfügbar zu machen. Aber warum nicht so: Ich bringe ein neues Album mit 12 tracks raus, und verschenke davon zwei oder drei – aus Marketing-Gründen.


Wenn Du sagt, Ihr kobert nicht aktiv bei Labels – wie habt ihr dann Künstler wie Sonic Youth oder Beck dazu gebracht, mit Soundcloud zu arbeiten? Sind die einfach so auf den Dienst gestoßen?


Sagen wir mal so: Wir gehen nicht raus und versuchen, die Leute zu überzeugen, wie toll Soundcloud ist. Aber wir versuchen – und das tun wir übrigens auch bei unbekannten Künstlern – ihnen zu helfen, sie mit dem zu versorgen, was sie brauchen. Zum Beispiel Ideen zu entwickeln, die für sie sinnvoll sind. So wie Remix-Competitions, um stärker mit der Fan-Basis in Verbindung zu treten. Oder Ideen, wie man ein Widget attraktiver gestalten kann.


Neuerdings arbeitet ihr ja eng mit dem Onlineblogaggregator Hypemachine von Anthony Volodkin zusammen: Tracks, die Blogger via Soundcloud-Player einbetten, werden von Hypemachine gefunden und aggregiert werden. Wie kam es dazu – und wem bringt das was?


Wir lieben einfach Hypemachine! Die Motivation ist ziemlich einfach: Wir hosten tracks, um es für Blogger einfacher zu machen, sie zu bloggen. Und Hypemachine profitiert davon, dass auf diesem Wege mehr Musik an die Oberfläche gespült wird. Im Endeffekt sitzen wir einfach zwischen den Labels bzw. Künstlern und Hypemachine – und schauen, dass alles gut funktioniert.


Gerade für die Labels ist das ja ziemlich attraktiv: Wird ein Track bei Hypemachine gehört, fließt das in die Soundcloud-Statistik über diesen Song ein.


Ja. Ich meine, es ist toll, wenn man seine Musik kostenlos weggibt. Aber man sollte doch ein paar Informationen dafür bekommen. Wir aggregieren diverse Infos, die für die Labels interessant sein könnten – etwa, um sich darauf vorzubereiten, wo man auf Tour halt macht, demografische Daten und so weiter.


Ich habe mehrfach gelesen, dass Eure Arbeit mit der von Myspace ins Verhältnis gesetzt werden soll. Das hat mich gewundert: Eigentlich seid ihr ja eine Seite für Produzenten – zielt ihr jetzt verstärkt auf die Ansprache von Fans, von Konsumenten ab?



Nein. Myspace ist eine Konsumenten-Seite – dort gibt es Musik für Leute, die selbst keine machen. Wir konzentrieren uns weiterhin auf die Produzenten. Man könnte unsere Arbeit eher mit flickr vergleichen: Fotografen treffen sich dort auf der Seite, tauschen sich sozial aus – und das ist teils auch für Konsumenten sichtbar. So ist das bei uns auch. Wir sind eine Seite für Produzenten – haben aber in zweiter Linie auch Musikkonsumenten etwas anzubieten.


Wie finanziert ihr das eigentlich? Werbung gibt es ja keine auf der Seite, ihr hattet ein Startkapital von 2,5 Millionen Euro – und jetzt finanziert ihr Euch einzig über Premium-Accounts?


Ja, das ist die einzige Einnahmequelle. Wir versuchen, das Geschäftsmodell so einfach wie möglich zu halten. Für uns ganz logisch: Wir haben ein Tool geschaffen, von dem wir hoffen, dass es für zahlende Kunden nützlich ist. Und wir konzentrieren uns darauf, dieses Produkt so wertvoll wie möglich zu gestalten.


Und wie hoch ist dann der Anteil derer, die einen kostenpflichtigen Account haben? Zehn Prozent?


Wir veröffentlichen keine Zahlen, aber die Premium-Accounts bewegen sich eindeutig noch im einstelligen Bereich. Aber wir wachsen ja auch noch kräftig – insgesamt haben wir jetzt schon 630.000 registrierte Nutzer.


Dein Kollege Eric hat sich in der Vergangenheit kritisch darüber geäußert, mp3-Verkauf als Zukunftsmodell zu sehen. Siehst Du das auch so?


Für uns ist das Kaufen von mp3-Dateien nicht besonders interessant. Wir finden es spannender, Musik online verfügbar zu haben, wo auch immer du bist. Streaming also. Wenn man in der Zeit weit genug in die Zukunft schaut, glaube ich auch, dass mp3 nicht gerade die Zukunft gehören wird. In zehn Jahren oder so.


Wenn wir schon über die Zukunft sprechen – wer wird es eher schaffen, sich auf die Herausforderungen des digitalen Musikzeitalters einzustellen: Indie- oder Majorlabels?


Das kommt wirklich drauf an. Labels sind Organisationen, die die Künstler unterstützen. Und gerade die Rolle von Major-Labels verändert sich gerade immens. Für sie wird es schwieriger sein, sich an die Herausforderungen der Zukunft anzupassen. Und auch wenn sie sich anpassen, werden sie Verluste hinnehmen müssen.



Biografie: Alexander Ljung ist Gründer von soundcloud, einem der heißesten Startups der Hauptstadt. In Großbritannien geboren und in Schweden aufgewachsen lebt er heute in Berlin.
Foto: screenshot: soundcloud.com

(www.laaff.net) lebt und arbeitet als Journalistin in Berlin. Sie ist stellvertretende Ressortleiterin bei taz.de, schreibt für überregionale Zeitungen, Onlinemagazine und produziert Radiobeiträge. Sie betreut zudem das taz-Datenschutzblog CTRL.


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